2019

Bernarda Alba’s Haus

nach dem Theaterstück von Federico García Lorca: Eine Frauentragödie in spanischen Dörfern
Premiere: 12.01.2019, mit dem Ballett des Theaters Divadlo Josefa Kajetána Tyla/Pilsen unter der Leitung von Jiří Pokorny
Choreografie und Inszenierung: Anna Vita
Bühne und Kostüme: Sandra Dehler
Licht: Jakub Sloub
Musik: Kryszof Penderecki, Witold Lutoslawski, Andrzej Panufnik, Henryk Gorecki, Peteris Vasks, Gabriel Fauré, Isaak Albeniz
Dauer: ca. 1 Stunde

Bernarda Albas zweiter Ehemann ist gestorben. Das Ritual besagt, dass die gesamte Familie nun acht Jahre lang trauern muss. Die gesamte Familie: Das sind neben der Mutter fünf erwachsene, unverheiratete Töchter im Alter zwischen 20 und 39 Jahren, die Großmutter der Mädchen, die in unserer Version nicht auftaucht, und eine langjährige Dienerin.

Praktisch über Nacht sehen sich die Töchter der Witwe Bernarda Alba hinter karge, weiße andalusische Mauern verdrängt, die den Klostermauern eines strengen Frauenordens nicht unähnlich sind. Kontakt mit der (männlichen) Außenwelt des Dorfes ist vor allem den jungen Frauen nur bedingt gestattet, oberstes Ziel der Mutter ist die Einhaltung des unhinterfragten Trauerrituals und die Aufrechterhaltung der Fassade von wohlanständiger Bürgerlichkeit. Verbündete im Kampf gegen den Wunsch nach Freiheit und gegen die Sexualität ihrer Töchter sind ihr die Religion und die Maximen des Ehemannes und Vaters, der in der Erinnerung lebendig gehalten wird. Und obwohl oder gerade weil Männer abwesend sind im Haus der Witwe Bernarda Alba, sind sie doch omnipräsent im Denken und Fühlen sämtlicher Bewohnerinnen, die jeweils eigene Strategien entwickeln, um mit dem Nicht-Vorhandenen umzugehen.

„Bernarda Alba’s Haus“ ist das letzte Werk von García Lorca, geschrieben 1936 in der Zeit des Spanischen Bürgerkrieges. García Lorca zeigt ein faschistoides Frauenregime, das aus Angst vor der eigenen Gefühls- und Gedankenwelt ein Terrorgebilde ganz eigener Art errichtet und damit die nachfolgende Generation junger Frauen domestiziert und deformiert. Ihr Abgott ist der tote, aber immer wieder beschworene Gott-Vater, der sich einmischt in die Leben von jungen Frauen. So wird die Tragödie des ungelebten Lebens forciert, das unter dem Zwang unmenschlicher, sinnloser, von der Zeit längst überholter Konventionen erstickt. García Lorca zeigt, ganz im Sinne Freuds, dass Verdrängtes, das nicht bewältigt wurde, umso machtvoller und monströser an die Oberfläche zurückkehrt, sobald sich Risse im System zeigen. Wie in vielen Dramen ist auch hier die Angst der Auslöser für fatale Entscheidungen, die katastrophale Folgen haben.