2017

Blaubart – – Sacre

Oper und Ballett von Anna Vita

Musik: Béla Bartók, Igor Strawinsky
Musikalische Leitung: Enrico Calesso
Premiere: 31. Oktober 2017, Großes Haus Mainfranken Theater Würzburg
Regie (Herzog Blaubarts Burg) und Choreografie: Anna Vita
Ausstattung: Kristopher Kempf
Dramaturgie: Berthold Warnecke
Dauer: ca. 2 Stunden

BLAUBART

Judith hat ihre Eltern, ihren Bruder, auch den Verlobten verlassen und ist Blaubart auf dessen Burg gefolgt. Mit Liebe und Licht will sie das düstere Gemäuer füllen und fordert vom Herzog, sieben verschlossene Türen zu öffnen – Sinnbild der geheimen Seelenzustände Blaubarts. Judith schlägt die Warnungen Blaubarts, das Haus nicht zu durchspähen, in den Wind. Sie lässt sich den ersten Schlüssel geben und öffnet sogleich die Folter-, dann die Waffenkammer. Obwohl zutiefst erschrocken, lässt Judith in ihrem Drängen nicht nach, auch hinter die weiteren Türen zu blicken. Blaubart gewährt ihr nun den Blick in die Schatzkammer, in den geheimen Garten und schließlich über sein weites Reich.

Blaubart beschwört Judith, die weiteren Türen nicht zu öffnen – vergeblich. Hinter der sechsten Tür ruht reglos ein weißer See aus Tränen. Das Licht entweicht wieder aus der Burg. Nun fordert Judith die Preisgabe auch von Blaubarts letztem Geheimnis.

Sie nimmt den siebten Schlüssel und öffnet die Tür, hinter der sie Blaubarts frühere Frauen erblickt: die Geliebte des Morgens, des Mittags und des Abends, denen Judith als Geliebte der Nacht folgen wird. Hinter ihr schließt sich die Kammer.

 

SACRE

Im zweiten Teil des Abends erklingt Igor Strawinskys epochale Ballettmusik „Le sacre du printemps“. Dieses Werk gilt aufgrund seiner außergewöhnlichen rhythmischen Klangstrukturen als ein Schlüsselwerk der Musik des 20. Jahrhunderts. Die Uraufführung in Paris am 29. Mai 1913 ging als einer der größten Theaterskandale in die Geschichte ein. Die Uraufführung wurde durch Proteste, Gelächter und Tumulte begleitet.

Das „Frühlingsopfer“, so der deutsche Titel, handelt von der Rettung eines Volkes durch Opferung einer jungen Frau im heidnischen Russland. Eine Jungfrau wird in einem Ritual dem Frühlingsgott zur Versöhnung dargebracht. Die Struktur des Balletts besteht aus zwei Teilen. Die Anbetung der Erde steht im ersten Teil im Mittelpunkt der Aufführung. Dabei kommen unterschiedlich rivalisierende Stämme zusammen und bereiten durch Kampfspiele das Frühlingsopfer vor. Der zweite Teil konzentriert sich auf das eigentliche Opfer, indem über das Schicksal einer ausgewählten Jungfrau berichtet wird. Sie steigert sich nach einem uralten Ahnenritual in einen Opfertanz hinein, der über immer wildere Tanzrhythmen schließlich zu Chaos und Tod führt.

Das Frühlingsopfer von Strawinsky aber war dank Anna Vita ein stimmiges, mitreißendes Tanz-Mysterium, die Schilderung eines barbarischen Rituals mit der Gewalt der Männer an einer unschuldigen jungen Frau. Die außergewöhnlichen Pas de deux waren nicht von Miteinander, sondern von Unterwerfung geprägt. Auch das Ballettensemble fesselte durch seine Ausdruckskraft und seine Kongruenz zur aufwühlenden Musik Strawinskys. Langer, begeisterter Beifall.

Bayerische Staatszeitung, Rubrik: Kultur, Nr. 44/2017

Chapeau! Die Würzburger verfügen über zwölf Tänzer, die alles geben, um ein Gefühl von dumpf-stampfender Archaik zu erzeugen. Glanzpunkt: das Duett zwischen Opfer (leichtfüßig: Kaori Morito) und dem Alten (athletisch: Davit Bassenz), das mit dem Sturz ins Bodenlose endet. Jubel!

Süddeutsche Zeitung, Rubrik: Kultur, 01.11.2017

Urgewalten und Seelenabgründe. Ballettdirektorin Anna Vita führt Regie beim Operneinakter und choreografiert das Ballett. Die Ästhetik spricht an, die Themen lassen gruseln. In dem Kontrast liegt die Faszination des Doppelabends. So löst Anna Vita den Mythos aus Zeit und Raum, wieder rücken die düsteren, zeitlosen Seelenabgründe in den Fokus. Eine sehr energiegeladene Ballettkompanie verkörpert die Masse, der am Ende, das Opfer gebracht werden muss. Mit "Blaubart" und "Sacre" zeigt sich Regisseurin und Choreographin Anna Vita von einer sehr düsteren Seite. Reizvoll sind die beiden Stücke, keine Frage, denn das Publikum erlebt Ballett- und Bühnenästhetik sowie musikalische Urgewalt.

Main-Echo, Rubrik: Kultur, 02.11.2017

Für beide Werke zeichnet nun Anna Vita, die Würzburger Ballettchefin, für Regie und Choreografie verantwortlich. In "Le sacre du printemps" ist die Choreografin Anna Vita in ihrem ureigenen Element, macht daraus ein in sich stimmiges, mitreißendes Tanz-Mysterium. Bewundernswert, wie Kaori Morito in ihren Bewegungen, mal weich, mal angespannt starr, mal wie befreit, dann wieder in zitternder Abwehr ihre inneren Befindlichkeiten ausdrückt, wie mutig sie sich hoch werfen lässt, wie akrobatisch sie alle unglaublich schwierigen Figuren meistert und wie flexibel sie mit ihrem zarten, schmiegsamen Körper das schicksalhafte Opfer eines Mädchens in diesem gewalttätigen Ritual nahe zu bringen weiß. Ihr Partner und Widerpart ist der Weise, der Alte, der Mann. David Bassenz tanzt ihn mit starker körperlicher und männlicher Ausstrahlung, mit hohen, präzisen Dreh-Sprüngen; dass ihm dieses Mädchen verfällt, wird deutlich auch durch außergewöhnliche Hebungen und Pas de deux, die eher durch Unterwerfung als von Miteinander geprägt sind. Auch die übrigen Ballett-Nummern, synchron und einfallsreich vom Ensemble ausgeführt, fesseln durch nonverbale Ausdruckskraft, etwa auch durch das primitiv-brutale Stampfen der Alten beim Ritus für die Ahnen und durch die Kongruenz zur Musik Strawinskys. Das Premierenpublikum im nahezu voll besetzten Haus feiert lange und mit nicht enden wollenden Bravo-Rufen alle Mitwirkenden, vor allem aber das Solisten-Paar.

O-Ton, Rubrik: Aktuelle Aufführungen, 02.11.2017

Die Premierenbesucher würdigen mit ihrem Applaus eine großartige Kaori Morito in der höchst anstrengenden Rolle des Opfers, danken der gesamten, konditionelle Höchstleistungen erbringenden Compagnie und danken erkennbar Anna Vita und Kristopher Kempf (Ausstattung) für die Arbeit.

Main-Post, Rubrik: Kultur, 02.11.2017

Zwei brodelnde Vulkane. Nicht ohne Grund führt Ballettdirektorin Anna Vita an diesem Doppelabend Regie, denn den Protagonisten Bryan Boyce als Herzog Blaubart und Karen Leiber als Judith hat sie die Tänzerin Camilla Matteucci als "Echo" an die Seite gestellt. Der teilweise schon enthusiastische Beifall fokussierte sich nach "Le Sacre" vor allem auf Enrico Calesso mit seinen Musikern sowie auf die Regieleistung von Anna Vita mit ihrer glänzenden Balletttruppe.

Fränkische Nachrichten (auch erschienen im Mannheimer Morgen), Rubrik: Veranstaltungen, 06.11.2017